Döbelner Allgemeine Zeitung – Brauns Machwerke in der Alten Schäferei

15. Juni 2009

 

Schriftsteller liest aus seinem neuesten Roman – „Die DDR ist in dem Moment verschwunden, als sie am besten war“

Einen literarischen Leckerbissen bot das Ost-West-Forum an diesem Sonnabend in Gödelitz: Schriftsteller Volker Braun las in der Alten Schäferei aus seinem jüngsten Roman „Machwerk oder Das Schichtbuch des Flick von Lauchhammer“ (erschienen 2008 im Suhrkamp Verlag).

Flick – der Held des Romans wird mit 60 Jahren arbeitslos. Jahrzehntelang hat er als Experte für Havarien im Bergbau seinen Mann gestanden und nun steht er vor dem nichts. Seine Heimat, die Lausitz zählt zu den Verlierer-Regionen im Nachwendedeutschland. „Die Niederlausitz liegt heute ruhig rauchend da, eine Landschaft durch die die Arbeit gegangen ist, berühmte Gegend, die es hinter sich hat und verlassen wurde von den Mannschaften und Maschinen. Und nur Halden, Wüstungen, wiederbewachsene Böden sieht man, das Endbild großer Zeiten.“ So beginnt das erste Kapitel, in dem „nichts besonderes los ist und wir nicht wissen, ob es vorwärts geht.“ Flick mutiert zum Ein-Euro-Jobber.

Man spürte bei der Lesung, dem inzwischen 70-jährigen Braun sitzt der Schalk im Nacken. „Durch das Mithören gewinnt man eine neue Ebene“, meinte eine Zuhörerin. Und Braun gab etliche Kostproben seiner Dichtkunst. „Als Flick von Lauchhammer das zeitliche segnete, aber den Raum nicht verließ“, „Für die Garküchen der Zukunft sind noch keine Rezepte geschrieben“, „Vielleicht muss sich die Menschheit noch einmal neu buchstabieren“. Immer wieder wurde der gebürtige Dresdner vom Applaus der mehr als 100 Zuschauer(-Hörer) unterbrochen.

Nach der gut einstündigen Lesung stand Braun, der heute in Berlin lebt, den Fragen seiner Leser Rede und Antwort. So interessierte seine Sicht auf die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung, die Frage in wie weit er bei den Recherchen für seinen Roman im Arbeitsamt gewesen ist und seine Einstellung zur DDR. Braun: „Die DDR ist in dem Moment verschwunden, als sie am besten war.“

Braun hat selber intime Kenntnisse aus dem Bergbau. Vor seinem Philosophie-Studium in Leipzig arbeitete er ein Jahr lang in einem Tagebau und im Tiefbau. Bis heute ist er fasziniert von den riesigen Baggern, die ganze Dörfer wegschaufeln. Doch inzwischen sieht er das mit einer kritischen Distanz: „Wenn man sich vorstellt, dass ein ganzes Dorf verschwindet, damit mit der dort abgebauten Kohle für zehn Stunden Strom erzeugt werden kann, wird einem der ganze Wahnsinn deutlich.“

Braun hat an diesem Abend viel Zeit für seine Leser mitgebracht. So schrieb er nicht nur fleißig Widmungen und Autogramme in die meist mitgebrachten Bücher, sondern blieb auch noch auf eine Tomatensuppe, um die eine oder andere Frage zu seinen Werken und Problemen der Gegenwart zu erörtern.

Als nächster Redner wird Edgar Most, Direktor von der Deutschen Bank, beim Ost-West-Forum in Gödelitz zu hören sein. Angesichts der nach wie vor angespannten Situation auf dem Finanzsektor dürfte dieser Vortrag interessante Einblicke in die Welt der Banken gewähren.

Volker Braun: Vielleicht muss sich die Menschheit noch einmal neu buchstabieren.
Beitrag  von Dominique Ahner