Der Dichter Volker Braun verrät auf Gut Gödelitz seine Schreib-Strategie.
Meister Flick aus der Lausitz war immer da, wenn im Tagebau eine Maschine ausfiel. Mit Ruhe und Geschick behob er den Schaden. Und dann wurde er von einem Tag zum anderen nicht mehr gebraucht.
Volker Braun erzählt in seinem Roman „Machwerk oder Das Schichtbuch des Flick von Lauchhammer“ von der großen Abrissarbeit im Osten. Der Wichtige wird über Nacht zum Wicht, Flick zur tragikomischen Figur. Er will nützlich sein in einer Gesellschaft, die ihn für unnütz erklärt.
Volker Braun war am Wochenende Gast auf dem Kultur-Gut Gödelitz in der Lommatzscher Pflege. Vor über einhundert Zuhörern des Ost-West-Forums Gödelitz las er einige Kapitel aus dem „Machwerk“. Er verriet seine an Büchner und Brecht geschulte Schreib-Strategie. Deren Protagonisten, Woyzeck und Mutter Courage, erkennen ihre tragische Situation nicht. Die Courage glaubt selbst am Ende des Stückes noch, als sie alle ihre Kinder im Dreißigjährigen Krieg verloren hat, dass sie am Krieg ihren Schnitt machen kann.
Arbeitsbuch 1977 bis 1989
Auch Brauns Held Flick erkennt seine Situation nicht, wird zum Streikbrecher und geht für Arbeit buchstäblich über Leichen. Nicht die Aufklärung der Figur ist für den Autor wichtig, sondern die Reflexion des Lesers. „Er soll erkennen, Arbeit ist nicht etwas Beliebiges, das man einfach entziehen kann.“ Der Leser soll das Verhalten der Figur kritisch bewerten, meinte Braun. „Er soll sich gegen Unrecht stemmen, sich auf die eigene Kraft besinnen.“ Im „Machwerk“ gibt es eine Gegenfigur zu Flick. Das ist der faule, aber kluge Enkel des Meisters. Er gibt Anlass zur Hoffnung, dass der Menschheit „etwas an Würde zuwächst“.
Am 20. Juni muss Braun das Manuskript eines neuen Buches abliefern. „Werktage – Arbeitsbuch 1977 – 1989“ ist der mit Spannung erwartete Spitzentitel des Suhrkamp-Verlages im Herbst. Ein intimes Buch über Kunst und Kulturpolitik in den letzten Jahren der DDR.
Von Rainer Kasselt; Foto: Ronald Bonß