Gerd Breitenfeld über Demokratie kontra Diktatur
Montag, 17.01.2011 von Natasha G. Allner
Das Interesse an Gerd Breitenfelds Vortrag “Demokratie? Ja! Aber wie?” im Veranstaltungsraum auf Gut Gödelitz erforderte zusätzliche Stuhlreihen. Gut 200 interessierte Gäste folgten den anderthalbstündigen Ausführungen und Visionen des 85-Jährigen aus Seelitz bei Oschatz. Die nachfolgende Diskussion zeigte, dass zumindest vor Ort, von Demokratie- oder Politikverdrossenheit nicht die Rede sein konnte.
Der Vortrag Gerd Breitenfelds, 1925 im schlesischen Ratibor geboren, gestaltete sich als Reise durch die Geschichte der Demokratie. Einer “Volksherrschaft”, die sich an seinem Gegenüber Diktatur zu messen und zu definieren hat. Manch eine vom Autoren des “Demokratischen Manifests” und dem utopischen Roman “Fahrt nach Futuras!” aufgestellte These provozierte. Vielleicht diese: “Ich lasse mich hinreißen zu sagen: Es hat noch nie einen Staat gegeben, in dem das Volk herrschte. Bestenfalls regieren die Gewählten, nicht die Wählenden.”
Eine ähnliche Position bezog Breitenfeld zu Revolutionen: “Auch da übernehmen schließlich Anführer die Macht”. Ein unblutiger Glücksfall sei die Wendezeit gewesen, diese wies zumindest noch “großartige demokratische Elemente”, wie den so genannten Runden Tisch, auf. Zitiert wurde Bärbel Bohley: “Wir haben als Runder Tisch verpasst, die Macht zu übernehmen”. Für Gerd Breitenfeld “wird Volksherrschaft unter Umständen zum aussterbenden Begriff”, schon heute würde in Medien und Politikerkreisen, sogar in wissenschaftlichen Arbeiten, definiert “Demokratie ist die Staatsform der Bundesrepublik”. Breitenfeld kritisiert das strikt: “Ich bin dagegen, die Demokratie ist keine Staatsform, sondern ein dynamischer Entwicklungsprozess.” Bereits Willy Brandt habe gefordert “mehr Demokratie zu wagen” und selbst bei Bertolt Brecht fände sich an Studenten gerichtet: “Ihr seid die Zukunft, ihr müsst die Demokratie weiterentwickeln”. Oftmals, so Breitenfeld, gibt es Gewöhnungseffekte bei Politikern, wie den “verfassungsfeindlichen Fraktionszwang” und ja, es gäbe Kritik an der Demokratie, aber keine wirklichen Lösungs- und Änderungsvorschläge. Der Referent betonte: “Wie stehen am Anfang, die Entwicklung steckt in den Kinderschuhen.”
Breitenfelds Appell gelte der Vernunft und der Verantwortung von Politikern und Parteien. Bei seinem Vorschlag zur “Rückführung in einen dynamischen Entwicklungsprozess” müsse er sich “weitgehend auf eigene Gedanken stützen”, da es keine Literatur gibt, in der jemand “auch nur einen utopischen Vorschlag macht”. Gerd Breitenfeld stellt sich ein Stufenmodell vor: Aufbauend auf regionale von dreiköpfigen Spitzen geführte “Ortsvereine der Parteien” erweitern sich zu nächsten Ebenen unter Dreier-Führung. Dann wäre “die Demokratisierung der Parteien ein Vorbild für die Demokratisierung der gesamten Gesellschaft.”