Vortrag von Markus Ulbig: Zuwanderung bei Arbeitslosigkeit – Braucht Sachsens Wirtschaft ausländische Fachkräfte?

Veranstaltung am 5.03.2011

Was hindert eine demokratisch gewählte Regierung daran, bei Bedarf qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben? Nun, einerseits eine hohe Arbeitslosigkeit im eigenen Land. Solange mehr als drei Millionen ohne Arbeit sind – warum sollte man Fremde ins Land holen? Wer wieder gewählt werden will, muss mit Abstrafungen rechnen, nimmt er auf Ängste und Ablehnung der Bevölkerung zu wenig Rücksicht.

Hinzu kommt der Vorwurf an Regierung und Wirtschaft, nicht rechtzeitig für qualifizierten Nachwuchs oder gezielte Umschulung gesorgt zu haben. Des weiteren der Hinweis an die Betriebe, dass Menschen keine immer verfügbare Masse sind, die bei Konjunkturzyklen und Krisen, zuweilen auch nur bei Auftragsflauten, entlassen und bei neuerlichem Bedarf wieder zur Verfügung stehen. Das gilt insbesondere für Fachkräfte, die gute Angebote aus anderen Regionen erhalten und – einmal weggezogen – schwer wieder rückholbar sind. Das gilt auch für junge Leute, die nach ihrer Ausbildung keine Arbeit finden und ebenfalls zu blühenderen Landschaften aufbrechen: Süddeutschland, Österreich und die Schweiz sind bevorzugte Zielgebiete. Alle ostdeutschen Bundesländer haben damit bittere Erfahrungen machen müssen. Interessant ist auch die Frage, ob qualifizierte Ausländer Deutschland attraktiv genug finden, um eine Einwanderung in Erwägung zu ziehen. Schließlich gibt es immer noch hohe gesetzliche und administrative Hürden. Auch die Sprache ist eine Barriere. Zudem gilt unser Land nicht gerade als klassisches Einwanderungsland, in dem Fremde willkommen sind.

Im Gegenteil: Jährlich wandern mehr als 30 Prozent der gut ausgebildeten, integrierten Türkinnen und Türken ab, weil sie sich hier nicht heimisch fühlen und wegen ihrer Herkunft weniger berufliche Chancen haben, als ihre deutschen Mitbewerber.

Andererseits ist die Notwendigkeit einer qualifizierten Einwanderung nicht von der Hand zu weisen. Deutschland erlebt seit Jahren ein Abschmelzen der Bevölkerung durch Schrumpfung und Alterung. Die Geburtenrate gehört zu den niedrigsten der Welt. Menschen aber waren und sind die wichtigste Ressource unseres Landes. Nach Schätzung von Experten müssen wir jährlich ca. 300 000 Einwanderer aufnehmen, wollen wir den gegenwärtigen Bevölkerungsstand auch nur halten. Tun wir nichts, wird sich unsere Bevölkerung am Ende des Jahrhunderts halbiert haben. Dass sich dies auf unseren Wohlstand und unseren Sozialstaat negativ auswirken wird, kann kaum bezweifelt werden.

Sachsen hat dies erkannt, der sächsische Innenminister Markus Ulbig bemüht sich um eine qualifizierte Zuwanderung vor allem aus den östlichen Nachbarländern. Er will Hürden abbauen und die vielen ausländischen Studenten, die bereits an sächsischen Hochschulen studieren, im Lande halten. Und er will um Zustimmung werben – was nur gelingen kann, wenn er sich gleichzeitig und nachprüfbar für eine bessere Bildung, Ausbildung und Um-schulung der deutschen Bevölkerung einsetzt.

Wir freuen uns, Staatsminister Ulbig als Gast des ost-west-forums auf Gut Gödelitz begrüßen zu dürfen. Zum Vortrag und dem anschließenden Gespräch laden wir Sie herzlich ein.


 

zur Person:

Geboren 1964 in Zinnwald /Erzgebirge. Markus Ulbig ist ausgebildeter Funkmechaniker/Elektroniker und war mehrere Jahre in diesem Berufszweig tätig. Danach studierte er an der Verwaltungs – und Wirtschaftsakademie in Dresden und erwarb seinen Abschluss als Verwaltungs- und Betriebswirt. Ein berufsbegleitendes Studium an der Hochschule Zittau/Görlitz schloss er mit dem Bachelor of Arts „Unternehmensführung” ab. 1990 bis 1992 war Markus Ulbig Büroleiter des Bürgermeisters von Pirna, zwischen 1992 und 1999 Leiter des Bauordnungs-/Bauverwaltungsamtes in Pirna. 1999 bis 2001 arbeitete er als Referent im Sächsischen Staatsministerium des Inneren.

Anschließend war er acht Jahre lang Oberbürgermeister von Pirna. Am 30. September wurde Ulbig als Sächsischer Staatsminister des Inneren in das Kabinett Tillich berufen. In dieser Funktion setzt er sich unter anderem für die erleichterte Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus dem Ausland ein.

Markus Ulbig ist seit der Gründung im Jahre 2002 Schirmherr der Pirnaer Initiative gegen Extremismus und für Zivilcourage. Für sein Engagement bei der lokalen Demokratiegestaltung erhielt Markus Ulbig mit der Aktion Zivilcourage die Theodor-Heuss-Medaille 2009.