Döbelner Allgemeine Zeitung – Wer zahlt eigentlich Steuern?

Wer zahlt eigentlich Steuern?
Sascha Adamek stellt einen “Wirtschaftskrimi” über die Steueroase Deutschland auf Gut Gödelitz vor

Montag, 9. Mai 2011. Von Jennifer Stange

Gödelitz. Das Kapital ist ein scheues Reh, erzählt man sich. In diesem Geiste warnte auch schon Angela Merkel: “Wenn wir alle Reichen vertrieben haben, dann sind auch die Armen ärmer, auf diesen Pfad möchte ich mich nicht begeben mit einer verantwortungsvollen Politik in diesem Lande”. Das Ost-West-forum Gut Gödelitz hat den Autoren des Buches “Schön reich – Steuern zahlen die anderen” zu Vortrag und Gespräch in die alte Schäferei auf Gut Gödelitz eingeladen, um mit diesen Mythen aufzuräumen.
Deutschland ist für Millionäre eine Steueroase – so die Hauptthese des 2009 erschienen Buches der beiden Mitarbeiter des Polit-Magazins “Monitor”, Sascha Adamek und Kim Otto. Buch und Vortrag schöpfen ihr reichhaltiges Wissen aus Insiderinformationen von Finanzbeamten und eigenen akribischen Recherchen. Beide versammeln unzählige Beispiele, um ihre These zu untermauern und zahlreiche Erklärungen dafür, warum es derzeit in Deutschland genau nicht anders sein kann.
Eine Kostprobe: Einer Krankenschwester in Deutschland bleiben nach Abzug ihrer Steuern von 2800 Bruttolohn nur noch 1200 Euro übrig. Ein Multimillionär aus dem Taunus zahlt im Jahr 2300 Euro Steuern, weil er sein Jahreseinkommen auf 26000 Euro runterrechnen konnte. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wird jeder Cent sofort vom Lohn abgezogen, während Einkommensmillionäre durch Abschreibungsmöglichkeiten kaum noch Steuern zahlen. Die unterschiedlichen Bundesländer böten hier unterschiedliche Vorzüge, von einer flächendeckenden und gleichmäßigen Besteuerung seiner Bürger habe sich der Staat aber längst verabschiedet.
Sachsens Finanzämter seien zumindest im Vergleich zu anderen Bundesländern “vorbildlich”. Immerhin werden durchschnittlich 39 Prozent der hier lebenden Einkommensmillionäre einer Steuerprüfung unterzogen, während in Hamburg beispielsweise nur fünf Prozent geprüft werden.
In der Diskussion meldete sich unter anderem die Fraktionsvorsitzende der Grünen im sächsischen Landtag, Antje Hermenau, zu Wort. Als Mitglied des Haushaltsausschuss im Bundestag bis 2004 erinnert sie sich gut an die damals beschlossene Aufhebung der zeitlichen Begrenzung von Leiharbeit, um die Gefahr der Abwanderung größerer Unternehmen zu verhindern. Heute wisse man wie falsch das war, aber Politikerinnen und Politiker würden verstärkt unter dem Druck eines Klientels stehen, das großen Einfluss auf die wirtschaftliche Entwicklung habe.
Das Buch kommt aus dem Heyne-Verlag, hat 272 Seiten und kostet 17 Euro.