Döbelner Anzeiger – Richter leisten Pionierarbeit für das Völkerrecht

Montag 16. April

von Sylvia Mende

Christoph Flügge ist Richter am Jugoslawien-Tribunal. Beim Ost-West-Forum berichtet er über die Arbeit und deren Notwendigkeit.

Christoph Flügge schilderte in seinem Vortrag beim Ost-West-Forum auf Gut Gödelitz anschaulich und plakativ seine Arbeit beim UN-Jugoslawien-Tribunal im niederländischen Den Haag. Er ist einer der zurzeit 850 UN-Angestellten aus 83 Ländern, die für das Tribunal arbeiten. Dazu gehören 17 ständige Richter. Ihre Aufgabe ist es, die Schuld von Kriegsverbrechern in Jugoslawien zu benennen, die Schuldigen abzustrafen und Tatsachen festzustellen, damit künftige Generationen setzen sich mit dem, was in ihrem Land zwischen 1992 und 1999 geschehen ist, auseinander. Richter Christoph Flügge nennt das Jugoslawien-Tribunal einen Pionier des Völkerrechts.

Wichtig sind die Verhandlungen auch für die Opfer. Flügge berichtete von nur zwei Verbrechen, wie es sie zu Tausenden in Jugoslawien gegeben hat, und erschütterte damit die Zuhörer. Er zeichnete starke Bilder von einer damals 14-jährigen Kosovanerin, die mit ihren Familienangehörigen auf einem Hof zusammengetrieben und dann das Feuer auf sie eröffnet wurde. Nur sie und eine Cousine überlebten. „Wir erfahren entsetzliche Dinge. Unsere Aufgabe ist es, diejenigen zu bestrafen, die dafür verantwortlich sind”, so Christoph Flügge. Dabei machen Staatsanwaltschaft und Richter auch nicht vor Staatsoberhäuptern und Befehlshabern Halt, die sich ihre Hände nicht schmutzig gemacht haben, aber für den Tod von über 100 000 Menschen verantwortlich sind. „Es ist sehr kompliziert, individuelle Schuld nachzuweisen. Die Befehlskette muss aufgeschlüsselt werden”, so Christoph Flügge. Deshalb dauern die Prozesse meist mehrere Jahre.

Christoph Flügge ist mit zwei weiteren Richtern verantwortlich für das Verfahren gegen einen General, der seit 1995 für Spionage und Spionageabwehr der bosnisch-serbischen Armee zuständig war. Im Februar 2010 wurden die ersten Zeugen von insgesamt 126 verhört. Hinzu kommen vier Zeugen der Verteidigung. Nun ist nach zwei Jahren die Beweisaufnahme abgeschlossen. Für August sind die Schlussplädoyers geplant. Das Urteil soll Ende des Jahres verkündet werden. Die Protokolle für diesen Prozess umfassen 18000 Seiten, 3000 Dokumente wurden als Beweise zugelassen. Das Urteil wird wohl über 1000 Seiten umfassen. Damit die Richter am Tribunal nicht zu viel Papier bekommen, gibt es nur elektronische Daten. Die Verhandlungen werden live im Internet übertragen.