Veranstaltung am 14.4.2012
Nie wieder Krieg – das war die Sehnsucht und das Motto der Menschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Und tatsächlich ist zumindest in Europa dieser Wunsch für eine lange Zeit in Erfüllung gegangen. Die Teilung Europas und der Kalte Krieg haben in gewisser Weise einen „heißen Krieg“ verhindert.
Die erfolgreichen Demokratiebewegungen in Osteuropa haben zur Überwindung der Teilung des Kontinents und für die Deutschen zur Wiedererlangung der Einheit geführt. Doch nicht überall in Europa ist die Entwicklung friedlich verlaufen. Insbesondre auf dem Balkan hat der auch von außen beförderte Zerfall des Staates Jugoslawien den Krieg nach Europa zurückgebracht. Krieg und Bürgerkrieg mit ethnischem oder auch religiösem Hintergrund haben vieltausendfachen Tod und Vertreibung über die Menschen gebracht. Manche hatten genau das für die „Zeit nach Tito“ vorausgesagt. Rückblickend hat man aber den Eindruck, dass niemand auf diesen Gewaltausbruch vorbereitet war. Für viele war kaum nachvollziehbar, was da passierte. Die internationale Gemeinschaft und vor allem Europa waren nicht in der Lage, diesem Inferno rechtzeitig entgegen zu wirken. Nach fünfzig Jahren war der Krieg wieder in Europa angekommen, die Hoffnung auf dauerhaften Frieden hatte sich zerschlagen. Dennoch haben wir alle tatenlos zugesehen, eine kraftvolle Friedensbewegung gab es nicht.
Gleichwohl hat dieser Krieg in Jugoslawien völkerstrafrechtlich zu einer kaum vorhersehbaren Entwicklung geführt. Fünfzig Jahre nach den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen wurde erstmals wieder ein Kriegsverbrechertribunal ins Leben gerufen, wenn auch auf völlig anderer rechtlicher Grundlage. Es war in Gestalt der Vereinten Nationen die internationale Gemeinschaft, die auf der Grundlage der UN-Charta das Jugoslawien –Tribunal gründete, und zwar mit einer Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 25. Mai 1993 – zu einem Zeitpunkt, als der bewaffnete Konflikt auf dem Balkan schon im Gange war.
Damit war und ist es das erste derartige Tribunal seit den Prozessen in Nürnberg und Tokio.
Seit November 2008 ist Christoph Flügge der deutsche Richter am Internationalen Gerichtshof für das frühere Jugoslawien in Den Haag. Er wird, zusammen mit zwei anderen Richtern, am letzten großen Prozess des Tribunals beteiligt sein, der demnächst gegen den früheren Kommandeur der bosnisch-serbischen Armee, Ratko Mladic, beginnen wird.
Christoph Flügge wird in seinem Vortrag über die Arbeit des Tribunals und seine Bedeutung für die Entwicklung des Völkerrechts berichten. Dieses Tribunal hat vor allem auch Gewicht für das lange geforderte „Ende der Straflosigkeit“ für die Hauptverantwortlichen von Kriegsverbrechen.
zur Person:
Christoph Flügge ist 1947 in Hamburg geboren, hat in Berlin und Bonn Jura studiert und war von 1977 bis 2007 an verschiedenen Stellen in der Berliner Justiz tätig: Als Staatsanwalt und Strafrichter, aber auch als Verantwortlicher für den Strafvollzug in Berlin (West). Nach dem Fall der Mauer fiel ihm die Aufgabe zu, die Strafvollzugsysteme in beiden Teilen Berlins zu vereinigen.
Von 2001 bis 2007 war Christoph Flügge Staatssekretär der Berliner Senatsverwaltung für Justiz.