Sächsische Zeitung – Freistaat gibt mehr Geld für den Kampf gegen Rechts aus

Region Döbeln Montag, 11.03.2013

 

Auf Gut Gödelitz spricht Sachsens Innenminister über Rechtsextremismus im Freistaat. Dabei stellt er auch Lösungen vor. Von Helene Krause

 

Die Zufahrt zum Gut Gödelitz wird am Samstagabend von einem Polizeiwagen versperrt. Keiner der Zuhörer kann unbeobachtet in den Veranstaltungssaal hinein oder wieder heraus. Das hat seinen Grund: Referent des 135. Ost-West-Forums ist Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU). Sein Thema: Rechtsextremismus in Sachsen. Was tun?

 

Gleich zu Beginn weist Ulbig auf das Verbot der „Nationalen Sozialisten Döbeln“ hin. Am 18. Februar 2013 durchsuchte die Polizei das Vereinslokal dieser rechtsextremistischen Gruppe in der Reichensteinstraße in Döbeln. Gleichzeitig gibt es eine Razzia in den Wohnungen von sechs führenden Mitgliedern dieser Gruppe. Neben CDs mit rechtsextremistischem Liedgut wurden T-Shirts mit dem Bild von Rudolf Hess, rechtsextreme Flyer, Computer und Waffen beschlagnahmt. Die Partei wurde verboten. Auch die Rechtsrockband „Inkubation“ der „Nationalen Sozialisten Döbeln“, die im Vereinslokal der Partei geprobt hat, bekommt ein Verbot.

 

Doch ist es mit dem Verbot der rechtsextremen Parteien allein getan? Markus Ulbig und verschiedene Zuhörer verneinten diese Frage. „Wenn wir sie verbieten“, so einer der Gäste in der sich an Ulbigs Vortrag anschließenden Diskussionsrunde, „arbeiten sie im Untergrund weiter. Und sie sind noch schwerer zu beobachten und auszumachen.“ Das sieht auch der Minister so: „Die NPD verbieten, ist nicht die Lösung des Problems. Das rechtsradikale Gedankengut in den Köpfen der Menschen muss beseitigt werden.“ Auch wenn die Rechten vorgeben, die Probleme der Leute anzugehen, Lösungen dafür hätten sie nicht.

 

Nach Bekanntwerden der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU um Beate Zschäpe hat Markus Ulbig ein Operatives Abwehrzentrum (OAZ) gegen Rechtsextremismus ins Leben gerufen und damit den Verfolgungsdruck auf die rechte Szene erhöht. Vorreiterrolle gegen den Kampf gegen braunes Gedankengut hat die Polizei. Informationen über Rechtsradikale müssen schneller über die Grenzen der Bundesländer fliesen. Verfassungs- und Staatsschutz tauschen Informationen aus und gleichen sie ab.

 

Demokratietrainer werden

 

Doch auch präventiv kann einiges getan werden. Für Projekte, die die Demokratie stärken, wurden die finanziellen Mittel von einer Million auf drei Millionen Euro aufgestockt. Des Weiteren sollen Demokratietrainer ausgebildet werden. Diese sollen in Sportvereinen, bei der Feuerwehr und in anderen Organisationen auf Leute achten, die rechtsextremistisches Verhalten zeigen, auffällige Tätowierungen tragen oder braunes Gedankengut verbreiten.

 

Auch auf das Verhalten der Zivilgesellschaft ging Markus Ulbig ein. „Wo Demokratie aktiv gelebt wird“, sagt er, „hat Rechtsextremismus keine Chance.“ Er berichtet von Bürgern, die Nazidemonstrationen mit Gegenveranstaltungen verhindert haben, zuletzt mit einer Menschenkette im Februar in Dresden. Auch sollen Bürgerpolizisten eine stärkere Bedeutung in der Gesellschaft gewinnen. Diese Polizisten sind die Ansprechpartner der Bürger vor Ort. Die Leute kennen das Gesicht ihres Bürgerpolizisten. Sie wissen, zu dem kannst du gehen.

 

Von den Medien wünscht sich der Minister mehr Aufmerksamkeit. „Es ist wichtig“, so Ulbig, „dass die Dinge, die im Freistaat ins Rollen gebracht werden, auch bekannt werden.“ Zur Prävention gehöre die Arbeit mit der Jugend. „Die Schule ist wichtiger Teil der notwendigen Auseinandersetzung. Es gehört für mich in die Schule, Aufklärungsarbeit zu leisten.“

 

Als in der Diskussionsrunde einer der Zuhörer fragt, ob Hitlers Buch „Mein Kampf“ in der Schule vorgestellt werden soll, erwidert Ulbig: „Das Buch vorstellen, ohne darauf reinzufallen.“ Auch Projektwochen über Zivilcourage an den Schulen helfen, dass rechtsextreme Gedanken in den Köpfen der Kinder und Jugendlichen keinen Fuß fassen können.

 

Unverständlich ist für einen Zuhörer, wie die Polizei Rechtsextreme bekämpfen will, wenn der Freistaat das Personal zurückfährt. Ulbig dazu:. „Wir müssen auf den demografischen Wandel reagieren. In den kommenden Jahren gehen jedes Jahr 500 Polizisten in den Ruhestand. Diese werden durch 300 neu ausgebildete ersetzt. Gleichzeitig wird in den Verwaltung Personal gespart. Im Bereich Staatsschutz“, erklärt er, „gibt es keine Personalreduzierung. Der wird stärker ausgebaut.“

 

Trotzdem ist sich der Minister sicher, dass der Rechtsextremismus nie ganz aus der Gesellschaft herauszubringen ist. Der Meinung sind auch die Zuhörer. „So lange Schieflagen wie soziale Ungerechtigkeit in der Bevölkerung existieren“, sagt einer, „und diese nicht beseitigt werden, werden diese Leute immer ihren Platz suchen.“

 

Vor dem Vortrag des Innenministers auf Gut Gödelitz eröffnete das Vorstandsmitglied des Ost-West-Forums Professor Dr. Wendelin Szalai die 23. Kunstausstellung auf Gut Gödelitz. Der Fotokünstler Leo Pompignon zeigt Fotografien zum Thema „Verlassene Orte.“