Döbelner Allgemeine Zeitung – Eine Währung wechselt man nicht wie das Hemd

Herausgeber des Internetjournals “NachDenkSeiten” Albrecht Müller spricht auf Gut Gödelitz zur Eurokrise

Gödelitz. Nach Wegen aus der Eurokrise wurde am Sonnabend auf Gut Gödelitz gesucht. Zu Gast war Albrecht Müller, der Autor und Herausgeber des Internetjournals “NachDenkSeiten”. Der Vortrag und die anschließende Diskussion stieß auf hohes Interesse.

Axel Schmidt-Gödelitz bezeichnete in seinen einleitenden Worten Albrecht Müller als “eine der wichtigsten Personen in Deutschland, die sich mit ihren Werten am Grundgesetz orientieren und nicht am politischen Kleinklein teilnehmen.” Wenig später vermittelte Müller genau diese Werte in einem kurzen Schweif über seine Erlebnisse, die sein Befürworten für eine europäische Einheit begründen. “Die europäische Einheit ist das größte Friedensprojekt der letzten 1000 Jahre auf diesem blutgetränkten Kontinent.” Müller beschrieb, wie er die Bombeneinschläge in Südwestdeutschland miterlebte, wie ihm nach Kriegsende ein nationalsozialistischer Schuldirektor verherrlichende Ideologien predigte und wie er wenige Jahre nach dem Krieg in Frankreich herzlich empfangen wurde. “Beim Tag des Mauerbaus war ich außerdem in Griechenland für fünf Wochen. In dieser ganzen Zeit wurde ich nur einmal mit Steinen beworfen.”

Griechenland war dann auch das Stichwort für die Eurokrise. “Es ist keine Schuldenkrise, sondern eine Bankenkrise. Eine Krise der Spekulanten und Finanzcasinos!” Müller nannte die Gründe für den Ausbruch dieser Bankenkrise. “Man es hat nicht geschafft, die Wettbewerbsfähigkeit aller EU-Staaten im Gleichschritt voranzutreiben. Während Deutschland Jahr für Jahr Leistungsbilanzüberschüsse aufweist, haben andere Länder Defizite. Hinzu kommt die Niedriglohnstrategie in Deutschland. Die Agenda 2010 hat die Eurokrise definitiv verschärft”, klagt der ehemalige Planungsabteilungsleiter des Bundeskanzleramtes. Zudem sei Sparen nun der falsche Weg. “Sparen verschärft die Krise, weil die Steuereinnahmen weniger werden, die Sozialausgaben aber mehr.”

Müller zählte drei Lösungswege auf. “Ein Ausstieg aus dem Euro kann nicht die Lösung sein. Eine Währung wechselt man nicht wie das Hemd.” Stattdessen müssten die Löhne in Deutschland zunächst einmal steigen und in anderen Ländern auf angemessenem Niveau stagnieren. Für die südeuropäischen Länder müssten Nischen gefunden werden, um die Produktivität wieder zu erhöhen. Außerdem darf keine Bankenrettung mehr finanziert werden und ein Investitionsprogramm à la Marshall-Plan sei vonnöten. In der anschließenden Diskussion kamen auch die Besucher zu Wort. Dabei erwähnte Müller noch, dass die Zinspolitik einiger Banken auch fragwürdig sei.
Robin Seidler