Beim Ost-West-Forum spricht Martin Gillo über Menschen, die aus verschiedenen Gründen nach Deutschland kommen, von Marcus Herrmann, 16.2.105
Von Marcus Herrmann
Schon eine halbe Stunde vor Beginn ist ein Großteil der Sitzplätze im Veranstaltungsraum des Ost-West-Forums Gut Gödelitz besetzt. Am Sonnabendabend steht ein aktuelles Thema auf dem Programm, das über 140 Leute nach Gödelitz lockt: Asylpolitik und der Umgang mit Menschen, die aus verschiedenen Gründen nach Deutschland kommen .
Dazu hat Vereinsvorsitzender Axel Schmidt-Gödelitz den ehemaligen Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit Martin Gillo eingeladen. Gillo war von 2009 bis 2014 für die CDU-Fraktion als sächsischer Ausländerbeauftragter tätig. „Aber heute Abend spreche ich nicht als Politiker, sondern als Privatperson“, leitet Gillo seinen 45-minütigen Vortrag ein. Ohne Umschweife beginnt der 69-Jährige seine Ausführungen und erinnert an das tägliche Elend, dass Flüchtlinge erleben, die versuchen, über das Mittelmeer von Afrika nach Europa zu kommen. Es entwickelte sich eine regelrechte Schleuserindustrie. Zwischen 5 000 und 20 000 Euro zahlt jeder Flüchtling an die Schlepperbanden.
Vielfalt macht stark für die Zukunft
Gillo plädiert dafür, dass Deutschland, aber auch die Europäische Union, vor allem in den Herkunftsländern der meist muslimischen Flüchtlinge mit ihrer Hilfe ansetzen müssen. Es reiche in Anbetracht der massiv steigenden Flüchtlingsströme nicht aus, erst zu reagieren, wenn die Menschen schon da sind. Gefragt sei eine umfangreiche humanitäre Hilfe, die in den Herkunftsländern passieren müsse. Nichtsdestotrotz müsse sich Deutschland natürlich positionieren. „Welchen Weg wollen wir einschlagen angesichts 200 000 Flüchtlingen heute gegenüber 30 000 vor fünf Jahren“, fragt der ehemalige Ausländerbeauftragte. Die Antwort müsse jeder Einzelne für sich selbst finden. Dabei solle aus seiner Sicht aber niemand vergessen, dass schon heute in jeder dritten Familie in der Bundesrepublik mindestens ein Mitglied mit Migrationshintergrund zu finden sei.
Applaus erntet Gillo, als er darauf hinweist, dass gut ausgebildete Flüchtlinge vor allem eine große Chance für ein Land darstellen, das mit immer mehr älteren und weniger jungen Menschen in der Bevölkerung wird umgehen müssen. „Die Vielfalt wird immer wichtiger, um zukunftsfähig zu werden und um dem steigenden internationalen Konkurrenzdruck zu widerstehen“, sagt Gillo. Es sei ein typisch deutsches Phänomen, immer erst die Probleme zu sehen. Hier müssten die Deutschen von anderen Nationen zu lernen bereit sein. An dieser Stelle gab es auch kritische Stimmen unter den Zuhörenden. Ein Mann beklagte etwa, dass zu viele Asylbewerber aus Ländern aufgenommen würden, in denen weder Krieg noch Vertreibung herrschten. Gillo verwies auf die in jedem Fall notwendige Einzelfallprüfung. Dies ist gesetzlich geregelt. Es ist deren Aufgabe zu beurteilen, wer aufgenommen werden könne.
Es folgen zahlreiche Wortbeiträge von Menschen aus den Regionen Leipzig, Dresden und Mittelsachsen, die sich selber für Flüchtlinge einsetzen. Diese bekräftigt Gillo darin, sich nicht von Unverbesserlichen einschüchtern zu lassen. „Es gibt – egal ob im ländlichen Raum oder den großen Städten – immer Menschen, die ausländerfeindlich sind und das auch zeigen“, meint Gillo. „Diesen ist am besten beizukommen, wenn sich Helfer zusammentun und im Verbund Stärke gegen Diskriminierung zeigen.“
Bei allen Problemen und Ängsten, die das Thema Asyl oder Islamismus aufwerfe, sei eines nicht zu vergessen: „Diejenigen, die zu uns kommen, mögen einer anderen Religion oder Ethnie angehören oder eine andere Sprache sprechen. Sie haben sicherlich Ängste und Bedürfnisse, die wir kennenlernen sollten“, so der gebürtige Leipziger. Die Deutschen profitieren aber auch von den anderen Kulturen und Nationen. Dies erläutere er an einem Beispiel beim Aufbau der Dresdener Halbleiterfirma AMD.
Viele Wege, um zu helfen
Ob es die Patenschaft eines Leipziger Ehepaares für eine indische Familie ist, oder ein Grimmaer, der sich um zwei syrische Familien kümmert: Es wird an diesem Abend deutlich, wie vielfältig die Hilfsmöglichkeiten sind. „Manchmal muss man sich nur trauen“, sagt Gillo. Wer einmal ein Asylheim besucht und mit den Menschen in Kontakt tritt, der erkennt, was diese brauchen. Grundsätzlich gelte aber immer: „Menschen, die zu uns kommen, die gewillt sind die deutsche Sprache zu lernen und unserer Verfassung anerkennen, werden einen anerkannten Platz in unserer Gesellschaft finden“, so Martin Gillo.