Veranstaltung am 4. August 2007
In den Zeiten des Kalten Krieges waren Raketen- und Raumfahrtentwicklung ein heftiger Konkurrenzkampf. Wer konnte als erster das All erobern? Welche militärischen Vorteile hatte dies, welche Zwecke konnte der Gegner damit verfolgen?
Es waren deutsche Fachleute, die auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs die Grundlagen für Raketentechnik und Raumfahrt mitbrachten und weiter entwickelten. Sofort nach dem 2. Weltkrieg griffen sich die Siegermächte die deutschen Fachleute, die an den V-2-Raketen in Peenemünde mitgearbeitet hatten, um eigene militärische Fernraketen zu entwickeln.
Den Wettlauf zwischen der Sowjetunion und den USA entschied am 4. Oktober 1957 erst einmal der kleine Sputnik. Das war der erste Schock für die USA. Eine Interkontinentalrakete konnte eine militärische oder zivile Nutzlast auf eine Umlaufbahn um die Erde bringen. Einen erneuten Schock mussten die USA hinnehmen, als am 2. April 1961 Juri Gagarin als erster Mensch einmal um die Erde flog. Da hatten die USA endgültig ihre gesamten Reserven mobilisiert, um den aus ihrer Sicht gefährlichen Vorsprung der Sowjetunion aufzuholen.
Deutschland war von der Raumfahrtentwicklung zunächst ausgeschaltet. Es hatte andere Probleme. Die Wirtschaft und der Wiederaufbau war wichtiger. Später aber wurden beide in die wissenschaftlichen Programme ihrer Führungsmächte eingebunden und leisteten wichtige wissenschaftliche Beiträge. Als sich dann aber am 26. August 1978 die Nachricht verbreitete, ein DDR-Bürger namens Sigmund Jähn sei als erster Deutscher ins All geflogen, kam auf westdeutscher Seite nicht nur Freude auf. Ein Stück Konkurrenzneid war spürbar. Sigmund Jähn wurde auf ostdeutscher Seite entsprechend gefeiert – auch als Beweis ihrer Systemüberlegenheit.
Propaganda hin – Konkurrenzneid her: Sigmund Jähn war damals der Held der DDR-Bevölkerung. Zwar lief der ganze Propaganda-Apparat heiß und übertrieb maßlos. Vieles davon mag dem ersten DDR-Kosmonaten peinlich gewesen sein. Aber die Menschen waren stolz auf ihren „Sigi“ – auf seine unbestrittene Leistungen, seine Bescheidenheit und seine Integrität.
Vielleicht liegt hier der Grund, warum der promovierte Generalmajor nach der Wende nicht in den Strudel der ideologischen Auseinandersetzungen geraten ist. Von seinen westlichen Raumfahrtkollegen – darunter Ulf Merbold und Thomas Reiter – geschätzt, wurde er gleich nach der Wende kollegial-freundschaftlich in ihrem Kreis aufgenommen. Bis heute ist er als selbständiger Berater sowohl für das Deutsche Zentrum für Luft und Raumfahrt als auch für die European Space Agency tätig.
Sigmund Jähn ist kein Freund öffentlicher Auftritte – und wenn, dann spricht er lieber vor einem Fachpublikum über Chancen und Probleme der Raumfahrt. Dass er nach Gödelitz zum ost-west-forum kam, um über deutsche Beiträge zur bemannten Raumfahrt zu sprechen, ist eher eine Ausnahme. Wir freuten uns darüber.
Zur Person:
Sigmund Jähn wurde 1937 in Morgenröthe-Rautenkranz im Vogtland geboren. Nach Abschluss seiner Buchdruckerlehre ging er 1955 zur Nationalen Volksarmee der DDR, absolvierte dort eine Ausbildung zum Flugzeug-Ingenieur und schloss 1970 sein Studium an der Militärakademie der Luftwaffe der UdSSR als Militärwissenschaftler ab.
Von 1976 bis 1978 ließ er sich in der UdSSR zum Kosmonauten ausbilden und nahm vom 26. August bis zum 3. September 1978 am Raumflug der UdSSR und der DDR teil. Er war damit der erste Deutsche All.
Von 1978 bis 1990 leitete er die Kosmische Ausbildung im Stab der Luftstreitkräfte der DDR.
1983 schloss er seine Promotion zum Dr. rer. nat. am Zentralinstitut für Physik der Erde in Potsdam ab. 1986 wurde er zum Generalmajor befördert.
Seit 1990 ist Dr. Sigmund Jähn als selbständiger Berater für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und seit 1993 für die European Space Agency (ESA) im Russischen Kosmonautenausbildungszentrum bei Moskau tätig.
Sigmund Jähn ist verheiratet, ist Vater zweier Töchter. Er lebt in Strausberg bei Berlin.