Veranstaltung am 14.1.2012
Was wir gegenwärtig erleben zeugt von einer unfassbaren Verantwortungs-losigkeit der handelnden Politiker und Finanzmarktmanager. Ohne einer Gleichmacherei das Wort reden zu wollen, können demokratisch regierte Gesellschaftssysteme nur dann überleben, wenn ein Mindestmaß an gerechter Verteilung des gemeinsam Erwirtschafteten dauerhaft garantiert ist. Dieser Anspruch ist jedoch seit Jahren immer stärker aus dem Blickfeld geraten. Inzwischen verfügen allein in Deutschland 10% der Bevölkerung über 60% des gesamten Vermögens, während die öffentliche Verschuldung bei über 2 Billionen Euro angelangt ist. Allein die Zinszahlungen, so liest man, überschreiten das gesamtstaatliche Budget für Bildung und Forschung. Wenn wir nichts dagegen unternehmen, wird sich die Schere weiter öffnen.
Kann unsere Regierung, können die demokratisch gewählten Regierungen Europas gegen diese zunehmende Schieflage etwas tun? Wie lange werden die Menschen noch mehr oder minder resigniert zuschauen, wie sich einige weltweit agierende Finanzspekulanten gegen die Realwirtschaft und gegen eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung bereichern, ohne auch nur den geringsten ökonomischen Nutzen für die Menschen zu schaffen? Fast sieht es so aus, als ob die nationalen Regierungen den Spekulationen hilflos das Feld überlassen.
Denn: Alle sinnvollen Pläne, die zur Eindämmung dieser kleinen, aber weltweit agierenden Finanzmarktspekulanten dienen könnten, blieben bislang bloßes Wunschdenken – auch, weil die Regierungen der USA und Großbritanniens, Gefangene dieser mafiösen Finanzstruktur, sich dagegen sperren.
In zahlreichen Veröffentlichungen beschäftigt sich unser nächster Gast, Dr. Wolfgang Hetzer, mit der Frage, warum Finanzspekulanten, deren Geschäfte aber ganze Volkswirtschaften in den Ruin treiben können, nicht strafrechtlich verfolgt werden. Warum gibt es für solche Großkriminellen keine Gesetze – während jeder kleine Ladendieb zur Rechenschaft gezogen wird? Gibt es das: Ein Unterschichten- und ein Oberschichtenstrafrecht?
Wir freuen uns, Dr. Hetzer als Gast des ost-west-forums auf Gut Gödelitz begrüßen zu dürfen.
Zur Person:
Geboren 1951 in Geisenheim am Rhein (Hessen).
Nach Abitur, Wehrdienst (Fallschirmjäger) Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Göttingen. 1977 Erstes, 1979 Zweites Juristisches Staatsexamen.
Von 1979 bis 1982 Rechtsanwalt und Assistent an der Universität des Saarlandes.
Dort Promotion. Thema: Wahrheitsfindung im Strafprozess unter Mitwirkung psychiatrisch/psychologischer Sachverständiger.
Von 1982 bis 1987 ist Dr. Hetzer Referatsleiter in der Bundesfinanzverwaltung in Frankfurt und wissenschaftlicher Mitarbeiter beim Bundesfinanzhof in München.
Von 1987 bis 1991 arbeitet er als Referent im Bundesministerium für Forschung und Technologie in Bonn. Nach der Wende wirkt er kurzzeitig als stellvertretender Leiter der Steuerabteilung im Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg in Potsdam,
1992 wechselt er als Referent für Strafrecht und Kriminalpolitik in die SPD- Fraktion des Deutschen Bundestages. Von 1998 bis 1999 lehrt Dr. Hetzer an der Polizei-Führungsakademie in Münster, 2000 wechselt er ins Bundeskanzleramt nach Berlin, wo er als Referatsleiter mit der Aufsicht über den Bundesnachrichtendienst für die Bereiche Organisierte Kriminalität, Internationale Geldwäsche, Massenvernichtungswaffen und strategische Telekommunikationsüberwachung beauftragt wird.
2002 wechselt Dr. Hetzer als Abteilungsleiter in das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) nach Brüssel („Strategic Intelligence and Risk Assessment“). Seit 2006 war er Berater des OLAF-Generaldirektors.
Dr. Hetzer ist Autor zahlreicher Veröffentlichungen. Sein jüngstes Buch: Finanzmafia – Wieso Banker und Banditen ohne Strafe davonkommen, Verlag Westend.