Sächsische Zeitung – Globalisierung nutzen und nicht erleiden

Der Autohersteller BMW zeigt, Deutschland verliert im internationalen Wettbewerb nicht nur Jobs.

18. April 2005
Dresden. „Lernen die Chinesen erst von uns den Automobilbau, um dann den europäischen Automarkt mit ihren billigen Modellen niederzuwalzen?“, fragt ein Mann besorgt. „So wird es kommen“, antwortet Eberhard v. Kuenheim knapp.

 

Der ehemalige Vorstands- und Aufsichtsratschef der Bayerischen Automobilwerke (BMW) wollte in seinem Vortrag „Globalisierung in der Automobilindustrie“ beim Ost-West-Forum auf Gut Gödelitz (Landkreis Döbeln) keine Lösungsvorschläge bieten, sondern ungeschönt die Welt schildern, wie sie ist. „Auch wenn ich dabei herzlos erscheine“, sagte der 76-Jährige vor 200 Zuhörern, die das Thema Globalisierung am Sonnabend in eine überfüllte Scheune getrieben hat.

 

„Globalisierung ist nicht zu erleiden, sondern zu nutzen und aktiv zu gestalten“, betonte v. Kuenheim. Wie das geht, zeigte er am Beispiel des Konzerns, den er von 1969 bis 1993 führte. Vor 35 Jahren beschäftigte BMW 28 000 Menschen und stellte im Jahr 18 000 Autos her. „Wir hatten ein Problem – wir waren klein und fragten uns, wie wir uns behaupten können, mit kleinen Autos für den Massenmarkt oder mit größeren, wertvolleren Autos“, so v. Kuenheim. Die Münchner entschieden sich für das letztere und produzieren heute mit 106 000 Beschäftigten jährlich 1,2 Millionen Wagen. Der Konzern hat Werke in Südafrika oder den USA aufgebaut und ein Produktionsnetzwerk rund um die Welt geknüpft. Doch drei Viertel der Beschäftigten leben in Deutschland, obwohl 80 Prozent der Autos ins Ausland verkauft werden. Auch heute werde das meiste Geld hier investiert, zuletzt 1,3 Milliarden Euro in das Leipziger Werk. „BMW hat die Globalisierung genutzt und so für Arbeitsplätze und Wohlstand am Standort Deutschland gesorgt“, betonte v. Kuenheim.

 

Aber wie können sich deutsche Unternehmen künftig behaupten? Mit mehr Beweglichkeit, flexiblen Arbeitszeiten, technischem Vorsprung lauten die Ratschläge. Vom Einzelnen fordert v. Kuenheim „globales Denken“, die Bereitschaft zum Ortswechsel, auch zu vorübergehender Trennung von der Familie. Das Bewußtsein für Risiken ist größer ausgeprägt als das Bewußtsein für Chancen – „das ist der größte Nachteil der Deutschen.“

Nora Miethke