Veranstaltung am 8. November 2008
Freiräume und Grenzen eines Geheimdienstes im demokratischen Rechtsstaat. Vortrag und Diskussion von und mit Ernst Uhrlau, Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND)
„Wollen Sie Präsident des Bundesnachrichtendienstes werden“? Mit dieser Frage leitete Martin Klingst im Dezember 2005 einen ZEIT-Artikel zur erfolgten Ernennung von Ernst Uhrlau zum Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes ein und steuerte dann selbst auf eine Art Antwort zu: „Dieses Angebot würde derzeit viele der möglichen Kandidaten fürchterlich erschrecken“.
Ernst Uhrlau, bisher Koordinator der Nachrichtendienste im Bundeskanzleramt, zögerte nicht und leitet seither eine Behörde, die in der demokratischen Öffentlichkeit der Bundesrepublik stets als geheimnisvoll, skandalumwittert oder aber schlicht als unfähig eingeschätzt wurde.
Nicht ganz zu Unrecht. Der erste Leiter, Generalmajor der Wehrmacht Reinhard Gehlen, hatte sich 1945 mit seiner Spionageabteilung „Fremde Heere Ost“ den US-Amerikanern angedient, denen dieses Angebot im beginnenden Kalten Krieg hilfreich erschien. Gehlen stellte zu einem großen Teil ehemalige SS-, SD – und Gestapo-Offiziere ein. Als er 1968 sein Amt abgeben musste, sollen noch 25-30% der Beschäftigten ehemalige Angehörige dieser Organisationen gewesen sein. Gehlen hatte sein Amt bis zuletzt strikt gegen eine zunehmend kritische Öffentlichkeit abgeschirmt.
Darüber hinaus musste sich der BND gefallen lassen, im Vergleich zur Stasi oder dem KGB als unfähig bezeichnet zu werden. Beide feindlichen Organisationen konnten erfolgreich Agenten im Pullacher Amt einschleusen. Teilweise wurden sie erst nach der Wende enttarnt. Zum anderen hatte der BND weder den Mauerbau noch den Mauerfall oder den Zusammenbruch der Sowjetunion voraussagen können. In jüngster
Zeit musste sich der BND zahlreiche Pannen und Fehleinschätzungen vorhalten lassen. So habe er beispielsweise nicht gewusst, dass die CIA-Entführungsflüge auch über deutsche Flughäfen abgewickelt wurden. Von der Verschleppung des deutschen Staatsbürgers Khaled El Masri durch US-Geheimdienste habe er erst aus den Zeitungen erfahren. Darüber hinaus habe der BND seit dem Jahre 2002 an Verhören in Guantanamo teilgenommen, mit Folterstaaten kooperiert und deutsche Journalisten bespitzelt.
Ernst Uhrlau ist sich all dieser Probleme bewusst. Er fordert nicht, wie viele seines Faches und in der Politik, ständig neue und schärfere Gesetze. Er will in erster Linie analysieren, verstehen und die Ursachen von Bedrohungen ergründen. In den Medien wird ihm „ein feines Gespür für das empfindliche, störanfällige Gleichgewicht zwischen Sicherheit und Freiheit“ bescheinigt.
Immer wieder muss er sich den parlamentarischen Kontrollgremien stellen. Er reagiert ruhig, abwägend. Er gibt Fehler zu, entschuldigt sich öffentlich bei den betroffenen Journalisten, stellt Beschuldigungen richtig, bittet um Fairness.
Zusammen mit seinen beiden Vorgängern im Amt, Hansjörg Geiger und August Hanning, hat er sich für eine vorsichtige Öffnung des Amtes eingesetzt. Neben dem Abbau von Misstrauen soll der BND als wichtiger Teil der Sicherheitsarchitektur des Landes im Bewusstsein der Menschen verankert werden. Aber er muss auch abwägen: Schließlich geht es um die Bekämpfung von international operierender Organisierter Kriminalität, um Geldwäsche, Menschenhandel, Rauschgiftschmuggel und den international agierenden Terrorismus. Bei aller Öffnung darf er die Effizienz der Geheimdienstarbeit wie auch das Misstrauen der Dienste befreundeter Länder gegen ein Zuviel an Öffentlichkeit nicht aus dem Auge verlieren.
zur Person:
Ernst Uhrlau ist am 7. Dezember 1946 in Hamburg geboren. In der Hansestadt aufgewachsen absolviert er dort 1967 sein Abitur und studiert anschließend an der Hamburger Universität Politikwissenschaften, Soziologie und Volkswirtschaft. Ab 1974 unterrichtet er an der Hamburger Landespolizeischule.
Schon ein Jahr später wird er persönlicher Referent und Leiter des Senatorenbüros unter den Hamburger Innensenatoren Werner Staak (bis 1978) und Alfons Pawelczyk. 1981 übernimmt er dann für die kommenden zehn Jahre das Amt des stellvertretenden Leiters des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutzes. 1991 koordinierte er zunächst den Aufbau des Landesamts für Verfassungsschutz in Brandenburg und übernahm dann die Leitung der Verfassungsschutzabteilung im Innenministerium Schleswig-Holstein. Noch im selben Jahr wurde er zum Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz in Hamburg berufen. 1996 wurde er zum Hamburger Polizeipräsidenten ernannt.
1998 wechselte Uhrlau ins Bundeskanzleramt, um dort die Leitung der Abteilung VI (Bundesnachrichtendienst, Koordinierung der Nachrichtendienste des Bundes) zu übernehmen. In dieser Funktion bildete er die Schnittstelle zwischen Bundesregierung und dem Bundesnachrichtendienst, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Militärischen Abschirmdienst. Seit dem 1. Dezember 2005 ist Ernst Uhrlau Präsident des BND.
Ernst Uhrlau ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne.