Frank Richter: Hört endlich zu! Gesellschaftliche Fehlentwicklungen werden von der Politik nicht ernst genommen

Vortrag und Gespräch mit Frank Richter – Direktor der Landeszentrale für politische Bildung a. D. und Geschäftsführer der Stiftung Frauenkirche Dresden a. D. – Sonnabend, 9. Juni 2018 um 18: 00 Uhr auf Gut Gödelitz, Alte Schäferei

Verantwortungsbewusste Politik bedeutet, Entscheidungen auf ihre mittel- und langfristigen Auswirkungen hin zu überprüfen. Es bedeutet auch, dass Warnsignale, die auf gesellschaftliche Fehlentwicklungen hindeuten, von den Entscheidungsträgern ernst genommen und auf ihre Ursachen hin untersucht werden. Nur so können einmal begangene Fehler behoben und das Vertrauen in die Politik wiederhergestellt werden.

Die Realität sieht anders aus: Politik in der Bundesrepublik Deutschland ist ein auf Sichtweite betriebenes Geschäft. Das gilt für die Bundespolitik ebenso, wie für die Länderebene.

In Sachsen ist das auf eine besonders ärgerliche Weise der Fall. Mit ihrer Sparpolitik hat die CDU, die seit der Wende die Regierungen anführt, in fast allen Bereichen der Gesellschaft massive Problemfelder entstehen lassen: 1000 Schulen wurden geschlossen, es fehlen Lehrer, Polizisten, Richter, Staatsanwälte, Ärzte. Das Leben auf dem Land wird immer unattraktiver, die mit der Kreisgebietsreform verbundene Verwaltungsreform hat das demokratische Leben in den Dörfern verdorren lassen. Als es nach 2015 galt, die Massen der Flüchtlinge unterzubringen, wurde mit der Bevölkerung nicht gesprochen, wurde nicht um Zustimmung gerungen – es wurde verordnet.

All das bereitete den Boden für Populisten. Pegida war ein Warnsignal. Neben dem Kern, der ganz offensichtlich von Neonazis besetzt ist, sind viele Menschen dabei, die aus nachvollziehbaren Gründen ihren Protest loswerden wollten. Statt die einen von den anderen zu unterscheiden und genau zuzuhören, wurden sie von nahezu allen Politikern beschimpft und in die rechte Ecke gestellt. Nur Frank Richter, damals Leiter der Landeszentrale für politische Bildung in Dresden, bot Gespräche an, hörte sorgfältig zu, initiierte weitere Debatten und Befragungen und zog daraus seine Konsequenzen.

Die Wahlen zum Deutschen Bundestag im September 2017 setzten ein weiteres Warnsignal – die AfD zog in den Bundestag ein, in Sachsen wurde sie vor der CDU stärkste Partei.

Wer jetzt von den Politikern eine öffentliche Debatte über die Ursachen der Misere erwartet hatte: Ernsthaft, respektvoll und rücksichtlos auch gegen die eigene Person, der wurde wiederum enttäuscht. Genau das aber fordert Frank Richter: Eine öffentliche Debatte über Ursachen der zunehmenden Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Verhältnissen in unserem Lande.

Am 14. April haben Sie die Gelegenheit, mit Frank Richter auf Gut Gödelitz ins Gespräch zu kommen. Zum Vortrag und dem anschließenden Gespräch laden wir Sie herzlich ein.

Zur Person
  • Frank Richter, geboren 1960 in Meißen.
  • Nach dem Abitur 1978 war Frank Richter von 1979 bis 1981 Bausoldat der NVA, studierte anschließend am Priesterseminar Erfurt und in Neuzelle Theologie. 1987 wurde er zum Priester geweiht.
  • Im Herbst 1989 nahm er als Kaplan an der Dresdner Hofkirche an den Demonstrationen gegen das DDR-Regime teil. Aus der von der Polizei eingekesselten Menge gelang es dem damals 29Jährigen gemeinsam mit Kaplan Leuschner, in Verhandlungen mit der Polizei Gewalt zu verhindern. Mit anderen Demonstranten bildete er die Gruppe der 20, die als erste oppositionelle Gruppierung offiziell als Gesprächspartner der Staatsmacht akzeptiert wurde. Hier zeigte sich erstmals das große Verhandlungsgeschick Richters, das in späteren Jahren immer wieder half, Dialoge in Gang zu setzen und Brücken zu bauen.
  • Von 1994 bis 1996 war Richter Diözesanjugendseelsorger des Bistums Dresden-Meißen und anschließend Pfarrer in Aue.
  • Von 2001 bis 2005 arbeitete Frank Richter als Referent für Religion und Ethik am Comenius-Institut in Radebeul. Im Jahr 2005 ließ er sich laisieren um zu heiraten.
  • Er wechselte zur Altkatholischen Kirche, für die er von 2006 bis 2007 als Pfarrer in Offenbach tätig war. Im Folgenden arbeitete er einige Zeit als Lehrer in Hessen.
  • Von 2009 bis 2017 war Frank Richter Direktor der Landeszentrale für politische Bildung in Dresden. In der Asyldebatte, vor allem seit den Flüchtlingsströmen ab 2015 profilierte sich Richter als Vermittler und Moderator. Auch die TeilnehmerInnen an den PEGIDA-Protesten sollten gehört und ihre ernst genommen werden. Das brachte ihm Kritik als „Pegida-Versteher“, aber auch Anerkennung als „den besten Diplomaten, den wir derzeit in Dresden haben“ (Lars Rohwer, Chef des Kuratoriums der Landeszentrale für politische Bildung).
  • 2016 verließ Richter die Landeszentrale und wechselte in die Geschäftsführung der Stiftung Frauenkirche.
  • 2017 trat er aus der CDU aus. Weil er 2018 für das Amt des Oberbürgermeisters seiner Geburtsstadt Meißen kandidiert, wurde ihm die weitere Geschäftsführung der Stiftung Frauenkirche entzogen.
Veranstaltungshinweis

Im Vorprogramm der Veranstaltung eröffnet das ost-west-forum seine 44. Kunstausstellung: Thomas Went: Sehen und Erinnern – Fotos werden Bilder.

Vorankündigung

Am Montag, den 2. Juli 2018, werden Friedrich-Wilhelm Junge und der Musiker Michael Fuchs „Das Loch in der Brücke“, groteske Erzählungen von Slawomir Mrozek vortragen.