Vortrag von Gerd Breitenfeld: Demokratie? Ja!- Aber wie?

Veranstaltung am 15.1.2011

Anstöße für die Weiterentwicklung der demokratischen Staatsform

Seit Jahren kommen wir bei den Diskussionen im ost-west-forum wieder und wieder zum Schluss, dass die Demokratie in unserem Lande gefährdet ist. Sei es durch ausufernden Lobbyismus, mit dem sich mächtige Konzerne ihnen genehme Gesetze selbst schreiben, sei es die Verhöhnung der Demokratie, wenn Gesetze im Eiltempo durch das Parlament gepeitscht werden, sei es die Selbstentmachtung der Demokratie, wenn über Milliardenfonds für Krisenländer geheim am Parlament vorbei entschieden wird.

Jüngste Studien machen deutlich, dass Politik- und Demokratieverdrossenheit nicht mehr nur die Ränder der Gesellschaft ergriffen haben, sondern mittlerweile die Mitte der Gesellschaft erreichen. 2010 sind in Deutschland nur noch 46,1 Prozent der repräsentativ befragten Bevölkerung von der gelebten demokratischen Verfassungsrealität überzeugt, in Ostdeutschland sogar nur 33 Prozent. Jeder Vierte wünscht sich eine „starke Partei“, die die „Volksgemeinschaft“ verkörpert. Jeder zehnte Befragte hält die Diktatur für „die bessere Staatsform“, um den gegenwärtigen Krisen zu trotzen.

Andererseits erleben wir gerade in diesem Jahr eine ganze Reihe ermutigender basisdemokra- tischer Entwicklungen, die aus der Mitte der Bevölkerung kommen und Demokratie gegen herrschende hierarchische Entscheidungsstrukturen sowie die Arroganz der Macht verteidigen wollen. Stuttgart 21 ist ein typisches Beispiel.

Anfang Oktober 2010 sprach der Bürgerrechtler Jens Reich in Gödelitz resignierend darüber, dass immer weniger Menschen eine demokratische Gesellschaft für das wichtigste Ziel der Politik halten. Derartige Diagnosen haben wir oft gehört, diskutiert und wir haben gefordert, die Demokratie in unserem Lande zu erneuern.

Dr. Gerd Breitenfeld hat in einem langen Leben unter Diktaturen über die Weiterentwicklung von Demokratie nachgedacht und Vorschläge gemacht, wie insbesondere die Repräsentanten unseres Vertrauens in den hierarchischen Strukturen der Gesellschaft besser ausgewählt werden können. Dabei ist ihm besonders wichtig, dass es sich bei der Demokratie immer um einen Prozess und nicht um einen stabilen Zustand handeln kann. Diesen Prozess gilt es immer wieder zu überprüfen und den neuen Bedingungen, z.B. einer explodierenden Medienvielfalt, anzupassen.

Wir freuen uns, Dr. Breitenfeld, den wir seit Jahren auf unseren Veranstaltungen als klugen Diskutanten kennen, nun auch als Redner des ost-west-forums auf Gut Gödelitz begrüßen zu dürfen. Zum Vortrag und dem anschließenden Gespräch möchten wir Sie herzlich einladen.


 

zur Person Gerd Breitenfeld:

Geboren 1925 in Ratibor/ Schlesien, aufgewachsen in Glatz/ Schlesien.

Mit 17 Jahren Kriegsabitur und Marineoffiziersanwärter. 1944 mit 18 Jahren in sowjetische Kriegsgefangenschaft.

1949 nach Leipzig entlassen, dort Abitur an der Nicolai-Oberschule nachgeholt. Studium der Rechtswissenschaft, der Volkswirtschaft und Erwachsenenbildung an der Karl-Marx- Universität Leipzig.

Tätigkeit im höheren Dienst der Deutschen Reichsbahn und als Justiziar in verschiedenen Bereichen der Volkswirtschaft. Nach Mitarbeit am Zivilgesetzbuch und weiteren Gesetzen der DDR 1966 Promotion zum Dr. jur., danach zum Hochschuldozenten für Zivil- und Zivilprozessrecht an die Sektion Rechtswissenschaft der Karl-Marx-Universität berufen. Von 1970 – 1975 ist er als Auftragsleiter der Neubauten der Universität auch verantwortlich für den illegalen Baubeginn des Gewandhauses.

Zwischen Mauerbau und Mauerfall Mitglied der SED. Seitdem parteilos. 1990 geht er mit 65 Jahren in den Ruhestand.

Dr. Breitenfeld ist Autor des utopischen Romans „Fahrt nach Futuras!“ mit dem Untertitel: „Eine unglaubliche Reise in eine andere Welt als Anstoß zum Nachdenken über Demokratie“ (2000). 2003 schrieb er „ Das demokratische Manifest“, 2010 folgte „Demokratie kontra Diktatur“.

Dr. Breitenfeld ist seit 60 Jahren verheiratet und Vater zweier Töchter.